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Das Sonnenland …

Es war einmal vor langer, langer Zeit ein Königreich, in dem ein König und eine Königin ihr Volk zu aller Wohlgefallen regierten.

Es war ein reiches Land mit fruchtbarem Boden und so litt niemand Hunger und es gab auch keine Armut und keinen Neid.

Jeden Sommer standen die Kornfelder in voller Pracht. Wie Gold leuchtete die Landschaft in der Sonne und einem jeden wurde warm ums Herz, wenn er durch die Felder lief. Und jedes Jahr zu dieser Zeit befahl dann auch der König das Erntegeschirr fertig zu machen und das Korn einzufahren, denn die Speicher mussten für den langen Winter gut gefüllt sein.

Nur in einem Jahr passierte es, dass ein Bauer sich weigerte seine Felder abzuernten. Als dem König das zu Ohren kam schickte er einen Boten zu dem Bauer, er solle gefälligst, wie es sich gehöre, seine Arbeit tun, oder ihm würde der Hof genommen.

Der Bauer war überrascht von dem Ansinnen des Boten. Er wollte aber von seiner Weigerung nicht ablassen. „Lieber Bote,“ fing er an, „sage dem König, dass ich nicht ernten kann, weil ich so traurig bin. Wenn ich die Felder in ihrem vollem Licht sehe, fühle ich eine nicht endende Kraft. Es ist, als würde die Erde selbst zur Sonne und der Sommer sollte niemals enden. Sind aber alle Felder erst abgemäht, so spüre ich bereits den Herbst nahen und muss sogar ab und zu schon an den frostigen Winter denken. Und deshalb habe ich beschlossen das Korn nicht mehr zu ernten und mich weiter an dem ewigen Sommer zu erfreuen.“

Als der König dies hörte wurde er erst nachdenklich und dann musste er weinen. Er holte die Königin und erzählte ihr von den wundersamen Gedanken des Bauern. Gemeinsam beschlossen sie ihrem Land den Sommer zu erhalten. Sonnenland solle es von nun an heissen und allen Bauern wurde befohlen das Korn nicht zu ernten, sondern im Gegenteil, es zu beschützen. Und alle, die trotzdem Hand anlegten sollten dem König vorgeführt werden.

Und während in allen benachbarten Ländern geerntet, das Korn gedroschen, die Speicher gefüllt und das erste Mehl gemahlen wurde und somit alle von früh bis spät beschäftigt waren, liessen es sich die Menschen im reichen Sonnenland gut ergehen. Sie feierten Sommerfeste ohne Ende und huldigten dem Korne wie einer Gottheit. Zu Arbeiten hatten sie ja nichts.

Wie aber die Zeit voranschritt, kam es auch im Sonnenland immer öfter zu Regen und auch hier wurden die Tage kürzer und es wurde kühler. Die ersten Kornfelder wurden von Stürmen zerdrückt und sahen gar nicht mehr so prächtig aus. Der König wurde erneut nachdenklich, fand sich aber keinen Rat und so schickte er nach seinem alten, weisen Ratgeber, dem Hofmagier.

Der Hofmagier, der schon lange auf einen Besuch des Königs gewartet hatte, führte den König zu den Kornspeichern, die in diesem Jahr leer, kahl und trostlos waren. Und er fragte ihn: „Fühlst du den Winter nahen mein König?“ „Ja“, antwortete dieser, „mir wird schon oft ganz kalt.“ – „Und erfüllt dich dieser Anblick der leeren Speicher nicht mit Angst und Traurigkeit?“ fuhr der Weise fort. „Ja, Magier, genauso ist es. Wovon sollen wir nur unser Brot backen?“ – „Dann schliesse nun deine Augen und stelle dir den Speicher bis obenhin mit Korn gefüllt vor. Und jetzt denke noch einmal an den Winter. Wird dir da nicht warm ums Herz?“

Da bemerkte der König seinen fürchterlichen Irrtum und er veranlasste, dass sofort sein gesamtes Land, auch die Leute am Hof und die Hofdamen, auf die Felder gingen, um zu retten, was noch zu retten war. Er legte sogar selbst Hand mit an. Und da es ein guter Sommer und bis jetzt ein milder Herbst gewesen war, füllten sich die Speicher recht bald auf ein noch erträgliches Mass.

Als alles fertig war verkündigte der König: „Jetzt sind wir im wahren Sonnenland, denn wir haben auch im kältesten Winter die Sonne in unseren Speichern und damit in unseren Herzen. Wir Menschen, wir können das große Pendel der Zeit nicht aufhalten. Im nächsten Sommer werden die Felder gewiss wieder in ihrem vollem Gold erstrahlen.“
Den Bauern, der ihm den Floh von den ewigen Sonnenfeldern ins Ohr gesetzt hatte, ernannte er zum Hofnarren. Und immer wenn dieser schlaue Gedanken äusserte, lachte sich der König krumm und freute sich über das grosse Sonnenland. Und die Kornspeicher wurden die stattlichsten Gebäude im ganzen Reich, verziert mit dem Zeichen der Sonne.